Mediterranes Kleinklima in der „Toskana des Mittelrheins“
Weinbau gibt es schon seit Ende der letzten Eiszeit, also über 20.000 Jahre. Die ältesten archäologischen Funde sind acht Jahrtausende alt und stammen aus Vorderasien. Von dort gelangte der Weinbau über Griechenland und das antike Rom an den Mittelrhein. In der Region um Leutesdorf baute der Germanenstamm der Ubier schon vor rund 2.000 Jahren Wein an. In Leutesdorf selbst ist der Weinbau seit dem 6. Jahrhundert nachgewiesen.
Ursache für die lange Erfolgsgeschichte des Weinbaus in Leutesdorf ist das optimale Zusammenspiel von geografisch günstigem Standort, Topografie und Bodenbeschaffenheit. Die geschützte Rheinbucht zwischen den hoch aufragenden Felsen Fahrer Ley und Hammersteiner Ley liegt genau gegenüber den Eifelhöhen, an denen sich viele der von Westen herandrängenden Stürme brechen und Wolkenmassen abregnen, bevor sie den Rhein überqueren. Hinzu kommen die Vorteile der wärmespeichernden Schiefer- und Lösböden und Steilhänge des rheinischen Schiefergebirges in Süd- und Südwestlage am Westerwaldrand – all dies führt zu einem mediterran geprägten Kleinklima, das den Weinbau begünstigt. Deshalb wurde in der Gemarkung, die von Malern der Romantik den Beinamen „Toskana des Mittelrheins“ erhielt, im 19. Jahrhundert auf über 200 Hektar Fläche Wein angebaut. Noch Anfang der 1960er Jahre wuchsen in Leutesdorf über eine Million Weinstöcke auf 135 Hektar.
Aus einer Vielzahl von Gründen nahmen seit den 60er Jahren Anbaufläche und Zahl der Winzerbetriebe stetig ab. Die bis Anfang der 70er Jahre durchgeführte Flurbereinigung der Leutesdorfer Weinberge brachte immense Arbeitserleichterungen für die verbliebenen Winzer. Andererseits ging mit der Planierung der Hänge aber auch die Entdifferenzierung der früher kleinen und kleinsten Einzellagen mit ihren typischen Charakteristika einher. Ehemals 75 Einzellagen wurden zu nur noch drei Großlagen zusammengefasst, die im Jahr 2006 schließlich in der Einheitslage Gartenlay aufgingen. Während in vielen anderen Weinorten längst eine Rückbesinnung auf lagentypische Terrassenweine eingesetzt hatte – weil deren Qualitäts- und Vermarktungsvorteile dort schon erkannt worden waren.
Aus Gegenwartssicht war dieses Ereignis aber auch der Wendepunkt zum Guten. Heute scheint die Krise des Weinbaus in Leutesdorf überwunden. Angetrieben durch Initiativen der qualitätsorientierten Winzer-Vereinigung „Weinsteigwinzer“ und unterstützt durch kreative Konzepte junger Quereinsteiger haben sowohl objektive Güte als auch Ruf der Leutesdorfer Weine in der professionellen Weinkritik einen enormen Schub erlebt – was beim interessierten Verbraucher nicht unbemerkt blieb. Und wo Anfang des dritten Jahrtausends schon vom nahenden Ende des Weinbaus in Leutesdorf geunkt wurde, wächst heute die Anbaufläche erneut – um zuletzt mehr als zehn Prozent auf wieder 45 Hektar im Jahr 2014.